In der betrieblichen Praxis sind wesentliche arbeitsrechtliche Fragen rund um das Thema Corona Impfung, Impfpflicht, Impfnachweis und Impfprämien entstanden.
Besteht eine Corona Impfpflicht für Arbeitnehmer?
Direktionsrecht / Weisungsrecht des Arbeitgebers
Alle Beschäftigten unterliegen dem sogenannten Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das Direktionsrecht, auch Weisungsrecht genannt, ergibt sich aus § 106 GewO (Gewerbeordnung) bzw. § 315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Es stellt das Recht des Arbeitgebers dar, dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrages bestimmte Aufgaben zuzuweisen.
Es handelt sich hierbei um ein Gestaltungsrecht, das der Arbeitgeber nicht nur einmalig ausübt, sondern immer wieder ausüben kann. Es ist ein notwendiger Bestandteil des Arbeitsvertrages, da sich der Arbeitnehmer in der Regel mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages zur weisungsgebundenen Arbeitsleistung verpflichtet hat.
Grenzen des Direktionsrechts bzw. Weisungsrechts des Arbeitgebers
Dieses Direktionsrecht des Arbeitgebers gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern unterliegt gewissen Grenzen. Da eine Impfung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die körperliche Integrität des Einzelnen eingreift, sind Zwangsimpfungen vom Direktionsrecht nach § 106 GewO nicht umfasst.
Die verfassungsmäßig geschützten Grundrechte der Arbeitnehmer überwiegen in diesem Fall ein etwaiges berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Impfung seiner Mitarbeiter, um die betrieblichen Abläufe zu gewährleisten.
Eine Corona-Schutzimpfung ist daher nur möglich, wenn der Arbeitnehmer vorher in diese einwilligt.
Freiwilligkeit einer Corona-Schutzimpfung auch im systemrelevanten Bereich
Dies gilt auch in sogenannten systemrelevanten Bereichen, etwa in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Auch das häufig erwähnte Argument, dass die betroffenen Berufsgruppen – Ärzte, Pflegepersonal, medizinisches Verwaltungs- und Fachpersonal – häufig in Kontakt mit der sogenannten vulnerablen Gruppe der über 70-jährigen kommen, kann die verfassungsmäßigen Bedenken nicht beheben.
Die mediale Berichterstattung zur Corona-Pandemie und der Schutzimpfung betont derzeit immer wieder die von der Bundesregierung proklamierte Freiwilligkeit der Impfung gegen das Corona-Virus.
Möglicherweise aber gesetzliche-Corona Impfpflicht
Dies könnte sich jedoch ändern. So ist in § 20 Abs.6 S.1 IfSG (Infektionsschutzgesetz) bereits die gesetzliche Möglichkeit einer Impfpflicht vorgesehen.
Dort heißt es:
…anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.
§ 20 Abs.6 S.1 IfSG (Infektionsschutzgesetz)
So sieht das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vor, dass Eltern vor Aufnahme ihres Kindes in eine Kindertagesstätte oder Schule nachweisen müssen, dass das Kind gegen Masern geimpft oder bereits immun ist. Auch Beschäftigte medizinischer Einrichtungen müssen dann geimpft sein oder ihre Immunität nachgewiesen haben.
Derzeit gibt es ganz augenscheinlich noch nicht genug Corona-Impfstoff, um eine gesetzliche Impfpflicht nach dem Beispiel des Masernschutzgesetzes zu implementieren. Die Impfstoffproduktion ist aber im vollen Gange und die derzeitige Knappheit könnte mittelfristig beseitigt sein.
Übrigens: Das Bundesverwaltungsgericht hat schon vor Jahrzehnten klargestellt, dass zumindest eine gesetzliche Impfpflicht zulässig ist (Pockenimpfung Urteil vom 14.07.1959, AZ: IC 170.56).
Gelten für geimpfte Arbeitnehmer Sonderregelungen?
Derzeit ist noch nicht sicher, ob die Impfung nur vor einer eigenen Erkrankung schützt oder auch davor, dass Dritte durch geimpfte Personen infiziert werden. Damit wäre die Impfung zwar Eigenschutz, aber kein Fremdschutz.
Da also ein Schutz vor Infektionen durch einen geimpften Mitarbeiter nicht gesichert ist, kann man eine Diskussion über etwaige Sonderrecht für Geimpfte nicht führen. Mit anderen Worten: Auch bereits geimpfte Arbeitnehmer müssen sich an die Hygienevorschriften im Unternehmen halten!
Anpassung des aktuellen Status möglich
In diesem Zusammenhang wird man aber den weiteren Verlauf des Pandemiegeschehens und die gegenwärtige Impfquote beobachten müssen. Steigt die Quote der geimpften Arbeitnehmer (m/w/d) im Verhältnis zu den nicht geimpften Beschäftigten deutlich an, ist eine Veränderung denkbar.
In bestimmten Bereichen, in denen sich unmittelbarer Kontakt zu Kollegen, Kunden oder Patienten zum Beispiel nicht vermeiden lässt, könnten organisatorische Maßnahmen, ungeimpfte Mitarbeiter jedenfalls zeitweise auf einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, möglich werden.
Auch ein weiterer Aspekt sollte nicht unerwähnt sein: Beschäftigte, die durch die Quarantäne einen Verdienstausfall erleiden, haben gemäß § 56 Abs.1 IfSG grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat.
Entfall eines Entschädigungsanspruchs bei Impfverweigerung
Dieser Entschädigungsanspruch war bereits Gegenstand anderer Blogbeiträge der Autorin. Dieser Entschädigungsanspruch entfällt jedoch, wenn ein Verbot der Ausübung der bisherigen Tätigkeit durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung – zu der auch die Corona-Schutzimpfung zählt – hätte vermieden werden können.
Nach § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) werden die von der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut – Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten – (STIKO) empfohlenen Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe für die dort genannten Personenkreise und Indikationen öffentlich empfohlen.
In § 56 Abs.1 S.3 IfSG heißt es weiter:
…Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können…
§ 56 Abs.1 S.3 IfSG
Dies kann zur Folge haben, dass ungeimpfte Arbeitnehmer mit negativen Konsequenzen rechnen können, wenn die zuständige Behörde eine häusliche Quarantäne anordnet, weil etwa ein Mitarbeiter Kontakt mit einer mit dem Corona-Virus infizierten Person hatte.
Kann der Arbeitgeber eine Impfpflicht arbeitsvertraglich anordnen?
Es wird zum Teil die Rechtsauffassung vertreten, dass eine erzwungene Impfung eine strafbare Körperverletzung (§ 223 StGB) oder eine sogenannte Nötigung nach § 240 StGB (Androhung von Konsequenzen und Nachteilen) darstellen könnte. In der weiteren Konsequenz ist auch klar, dass einem Arbeitnehmer, der sich nicht impfen lassen möchte, natürlich keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung) angedroht werden dürfen.
Ferner sind Regelungen im Arbeitsvertrag, die gemäß der sogenannten AGB- Kontrolle eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen würden, unwirksam. Eine etwaige im Arbeitsvertrag vereinbarte Impflicht wird aller Voraussicht nach an den Hürden dieser AGBKontrolle scheitern.
Impfpflicht über Betriebsvereinbarung einführen?
In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat etabliert ist, könnte man über die Idee nachdenken, eine Impfpflicht im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Jedoch sind Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 75 BetrVG an Recht und Billigkeit gebunden und haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen.
Im Ergebnis sind die betroffenen Grundrechte gegeneinander abzuwiegen. Aus Sicht der Autorin überwiegt der Schutz der körperlichen Integration der impfunfreiwilligen Arbeitnehmer das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer betrieblichen Impflicht bzw. an dem Bedürfnis, den Arbeitnehmer durch die angeordnete Impfung zu schützen und den ordnungsgemäßen Ablauf des Betriebes zu gewährleisten.
Eine Betriebsvereinbarung zur Impfpflicht ist folglich unzulässig.
Datenschutzrechtliche Vorgaben zum Impfstatus
Wie bereits oben erwähnt, ist derzeit noch unklar, ob die Schutzimpfung zu einer sterilen Immunität führt, also der Geimpfte das Virus in sich tragen und es dennoch nicht an seine Kollegen übertragen kann. Bei der Frage, ob der Arbeitnehmer bereits geimpft ist, handelt es sich datenschutzrechtlich
um eine „besonders sensible Gesundheitsinformation”, die nach den Vorgaben der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 DSGVO verarbeitet werden darf.
Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 DSGVO sieht eine Reihe von Ausnahmen vor, die im Einzelfall eine Verarbeitung von sensiblen Gesundheitsdaten ermöglicht. Im Fall der Impfung wegen des Corona–Virus kommt als Ausnahme, die eine Datenverarbeitung rechtfertigen könnte, jedoch nur die Einwilligung des betroffenen Beschäftigten nach § 9 Abs. 2a DSGVO in Betracht. Diese müsste also vorliegen, wenn es um Fragen der Impfung geht.
Eine Ausnahme kommt jedoch für medizinische Einrichtungen (Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegedienste) in Betracht. Um hier Infektionen zu vermeiden, dürfen die Arbeitgeber einer solchen Einrichtung nach § 23a IfSG die Impfbereitschaft ihrer Arbeitnehmer abfragen und diese Information auch zur Grundlage ihrer Entscheidung über die konkrete Art und Weise der Beschäftigung machen.
Für alle anderen Arbeitgeber bleibt es dabei, dass sie von ihren Mitarbeitern keinen Nachweis über deren Impfstatus verlangen können.
Fazit zur Corona Impfpflicht und Praxistipps
Als Arbeitgeber sollten Sie es vermeiden, Druck auf Ihre Beschäftigten auszuüben. Es sollte den Arbeitnehmern überlassen bleiben, ob sie sich impfen lassen oder nicht. Auch eine Weiterbeschäftigung darf nicht vom Nachweis einer Impfung abhängig gemacht werden.
Möchten Sie als Arbeitgeber, dass Ihre Mitarbeitenden sich zur Aufrechterhaltung des Betriebes impfen lassen, beschränken sich Ihre Möglichkeiten darauf, die Beschäftigten auf die Vorteile einer freiwilligen Impfung hinzuweisen und eine solche zu empfehlen.
Vertraut man den Ausführungen des RKI, so kann eine Impfung gegen COVID-19 sowohl zum individuellen Schutz als auch zur Eindämmung der Pandemie beitragen.
Ihnen als Arbeitgeber steht es natürlich bei einer entsprechenden Verfügbarkeit des Impfstoffes auch frei, Ihren Beschäftigten Impfungen im Betrieb (Stichwort: Betriebsarzt) bereitzustellen und zu ermöglichen. Das ist bei der Grippeimpfung bereits sehr weit verbreitet und gut angenommen worden.
Lage des Impftermins während oder außerhalb der Arbeitszeit
Im Übrigen sind Arbeitnehmer grundsätzlich gehalten, Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Derzeit ist der Impfstoff knapp und Beschäftigte haben wenig persönlichen Spielraum bei der Festlegung eines Impftermins. Im Normalfall greift die Regelung des § 616 BGB, wonach der Vergütungsanspruch ausnahmsweise für die Zeit der Abwesenheit dennoch bestehen bleibt. Die Regelung im § 616 BGB ist jedoch in vielen Arbeitsverträgen abbedungen. Vielleicht sollten Sie als Arbeitgeber in Bezug auf die Corona-Schutzimpfung hier eine Anpassung vornehmen beziehungsweise eine Ausnahme machen.
Zahlung einer Impfprämie?
Manche Arbeitgeber denken im Übrigen darüber nach, die Impfbereitschaft der Beschäftigten zu erhöhen, indem man den Mitarbeitern eine „Impfprämie“ anbietet. Dies könnte eine einmalige Zahlung (Bonus) sein, ein Sachgeschenk (Gutschein) oder gar ein zusätzlicher Urlaubstag. Die Impfprämie könnte im Wege einer Gesamtzusage angeboten werden oder, falls im Betrieb ein Betriebsrat vorhanden ist, könnte die konkrete Ausgestaltung von Impf-Prämien im Wege einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Es handelt sich ohnehin sicher um einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Die Diskussion zur Impfpflicht wird mitunter sehr emotional geführt. Als Arbeitgeber sollten Sie bei dem Thema Impfen vorbereitet sein, aber aus Sicht der Autorin auch eine gewisse Gelassenheit walten lassen.
Für Fragen zu diesem oder auch anderen Themen sind wir jederzeit gerne für Sie da.
Bleiben Sie gesund!
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